Andrea Kamphuis beim BuchCamp 2011
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- 10.04.2011
Am 7. und 8. Mai 2011 findet im Mediacampus Frankfurt das zweite BuchCamp statt, ein vom Forum Zukunft des Börsenvereins organisiertes Barcamp. Wie im vergangenen Jahr wird Andrea Kamphuis an der Veranstaltung teilnehmen. Sie bietet zwei Sessions an, die sich um das Trendthema Crowdfunding drehen:
- Von Lessing zu Lessig: Was Crowdfunder, Entrepreneurial Journalists und Selbstverleger von der res publica literaria der Aufklärung lernen können
- Crowdfunding in der Buchbranche: rechtliche Fallstricke
Von Lessing zu Lessig: Was Crowdfunder, Entrepreneurial Journalists und Selbstverleger von der res publica literaria der Aufklärung lernen können
Das Social Web des 18. Jahrhunderts war die res publica literaria (Gelehrtenrepublik oder republic of letters). Auch die Protagonisten der deutschen Aufklärung waren bestens vernetzt und schrieben sich eifrig Briefe, um Nachrichten und Klatsch, politische Meinungen und Kritiken, Werke und Tipps auszutauschen – und um Alternativen zum herkömmlichen Verlagswesen zu entwerfen, das ihnen ausbeuterisch, feige und zu kommerziell erschien.
In meinem Einführungsvortrag gebe ich einen Überblick über die Selbstverlags- und Subskriptionsmodelle der Aufklärung – von Leibniz über Lessing und Bode, Bürger und Goeckingk, Klopstock, Voß bis hin zum schillernden Karl Friedrich Bahrdt, der mit einem Geheimbund nach Art des Illuminatenordens gleich den ganzen deutschen Buchhandel aufrollen wollte. Letztlich sind fast alle Crowdfunding-Experimente der Aufklärer gescheitert. Warum – das zeigen teils mitfühlende, teils bissige Analysen zeitgenössischer Verlagsbuchhändler wie Friedrich Nicolai oder Philipp Erasmus Reich. Kurz gesagt: Die Literaten hatten wenig Ahnung von Betriebswirtschaft – und sie hatten kein Internet.
Die Motivation vieler heutiger Crowdfunder, selbstverlegender Autoren und selbstvermarktender Journalisten ähnelt der Unzufriedenheit der Aufklärer mit dem etablierten Buchhandels- und Verlagswesen. Auch heute bleiben Autoren, Übersetzern, Journalisten, Grafikern und Fotografen oft nur Brosamen, und auch heute weist die Publikationslandschaft trotz der jährlichen Flut an Neuerscheinungen schmerzliche Lücken auf: Viele wichtige Werke, die den gesellschaftlichen Diskurs zu Themen wie Netzneutralität, Urheberrecht oder neue Formen der Kreativität und Kooperation voranbringen könnten, werden in Deutschland einfach nicht verlegt. Wenn wir das ändern wollen, sind wir gut beraten, von den Fehlern, aber auch von der Unternehmungslust, Scharfzüngigkeit und Findigkeit der Aufklärer zu lernen.
Crowdfunding in der Buchbranche: rechtliche Fallstricke
Crowdfunding wurde kürzlich von Reuters zu einem der fünf großen kommenden Finanzierungstrends erklärt und boomt seit Herbst 2010 auch in Deutschland. Auch für die Buchbranche (Verlags- und Selbstverlagsszene, Buchhandlungen, Veranstaltungsorganisation ...) könnte das Modell tauglich sein.
Je nach Art des Projekts kann Crowdfunding aber mit rechtlichen Rahmenbedingungen in Konflikt geraten. Projektbetreiber sollten sich vorab umfassend informieren. Einige Beispiele, die für die Buchbranche relevant sind:
Finanzaufsicht: In einigen Ländern unterliegt der Handel mit Gewinnbeteiligungen oder Unternehmensanteilen strikten Regeln, die verhindern sollen, dass Laien Risiken eingehen, die sie nicht überblicken oder steuern können.
Künstlersozialversicherung: In Deutschland stellt sich die Frage, ob das Crowdfunding von Kreativprojekten von der KSK als künstlerische oder als nichtkünstlerische Einnahme eingestuft wird: Bei zu geringen künstlerischen oder zu hohen nichtkünstlerischen Einnahmen droht Künstlern eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses.
Buchpreisbindung: Buchprojekte müssen dem Gesetz über die Preisbindung für Bücher genügen, das die Preisdifferenzierung strikten Regeln unterwirft. Dies ist z. B. bei dem crowdfundingtypischen Prämienstaffelsystem zu beachten.
Verwertungsgesellschaften: Projekte nach dem sog. Street Performer Protocol, bei denen Musikstücke oder andere Werke durch Crowdfunding „freigekauft“ und unter eine Creative-Commons-Lizenz gestellt werden sollen, geraten mit den Verwertungsgesellschaften (z. B. VG Wort oder GEMA) in Konflikt, mit denen die meisten Künstler Wahrnehmungsverträge abgeschlossen haben (tragisches Beispiel: SellYourRights).
- Zuletzt aktualisiert: Sonntag, 10. April 2011